Journalistisches Schreiben

Meine Hauptthemen: Natur und Umwelt, Biologie allgemein, Familie und Kinder, Psychologie und Pädagogik, Medizin und Gesundheit, Nachhaltigkeit und Konsum, ökologische Landwirtschaft und Ernährung, erneuerbare Energien.

Meine Genres: Bericht, Nachricht, Interview, Glosse, Porträt und Rezension. Print und online.

Meine Zielgruppen: Kinder, Jugendliche und Erwachsene – je nach Auftrag.


Leseprobe Hintergrundbericht:

Notlösung Prozesskennzeichnung

Viele Lebensmittelprodukte werden mit Hilfe der Gentechnik hergestellt. Doch die wenigsten sind gekennzeichnet. Grund ist eine Kennzeichnungspflicht, die auf der Nachweisbarkeit im Endprodukt beruht. Eine Prozesskennzeichnung könnte für wesentlich mehr Transparenz und Wahlfreiheit für die Verbraucher sorgen. Sie wäre allerdings nur ein Notlösung. Die eigentliche Antwort ist der Verzicht auf Gentechnik in allen Prozessen der Lebensmittelherstellung. Dass die Reinhaltung von Nahrungsmitteln mittlerweile ein fast unerreichbares Ziel ist, wissen die Produzenten ökologischer Erzeugnisse schon länger.

Meinen Gästen serviere ich Rindfleisch ­ auch jetzt!“, teilt Sternekoch Michael Wollenberg auf einer der weiß-grünen Plakatwände in Berlin mit. Die Rindfleisch-Werbetexte der Centralen Marketingagentur der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) erscheinen fast schon grotesk angesichts der täglichen Meldungen zu neuen Fällen der Rinderseuche, Etikettenschwindel und politischen Schuldzuweisungen. Die Verbraucher sind verunsichert. Die Politiker und Forscher haben mit dem Vertrauensverlust der Bevölkerung zu kämpfen.
Eine mangelhafte Informationspolitik ist nicht nur im Fall BSE ein großes Problem, sondern auch im Umgang mit der Gentechnologie. In einer in fünf europäischen Ländern durchgeführten Studie wünschen sich Verbraucher in erster Linie Transparenz bei Entwicklung und Bewertung von Gentech-Lebensmitteln (1). In den meisten Fällen ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern der Nutzen vieler Gentech-Anwendungen unklar – vor allem im Bereich der Grünen Gentechnologie. „In den letzten Jahren liegt der Bevölkerungsanteil in Deutschland, der Gentechnik in Nahrungsmitteln grundsätzlich ablehnt, konstant bei 70 Prozent. 80 Prozent der deutschen Bürger fordern die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel“, sagt Christoph Then, Gentech-Campaigner bei Greenpeace.
Neben ökologischen Risiken beim Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen für die Lebensmittelproduktion befürchten Verbraucher und Verbraucherinnen unter anderem, dass von gentechnisch hergestellten Lebensmitteln direkte Gefahren für ihre Gesundheit ausgehen. Denn der Einbau fremder Erbinformationen in unsere Nahrungsmittel hat zur Folge, dass neue Proteine gebildet werden. Ob diese Eiweiße letztlich allergische Reaktionen hervorrufen, ist weitgehend unklar.
Ebenso strittig ist die Übertragung von Antibiotikaresistenzen. Bei fast allen Nutzpflanzen, die zur Zeit für eine Lebensmittelproduktion auf den Markt drängen, wurden Antibiotikaresistenz-Gene als Marker verwendet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich diese Gene und somit die Unempfindlichkeit gegen Antibiotika auf Mensch und Tier überträgt (2,3).

Keine freie Wahl

In Deutschland sind eine herbizidresistente Sojabohne und fünf gentechnisch veränderte Maissorten für die Lebensmittelproduktion zugelassen. Bestandteile dieser beiden Pflanzen können in unzähligen Produkten auftauchen (5). So sind zum Beispiel Sojaöl, Sojalezithin oder Maisstärke aus gentechnisch veränderten Rohstoffen Zutaten von Schokoriegeln, Erdnüssen oder Fertiggerichten. Auf vielen Verpackungen sucht man vergeblich nach einer Kennzeichnung. Das wundert auch Gerd Spelsberg von der Verbraucher Initiative Bonn: „Trotz Anwendungen der Gentechnologie im Nahrungsmittelbereich gibt es in den Läden so gut wie keine Produkte mit Kennzeichnung. Die Kennzeichnung funktioniert nicht.“
Generell müssen nur Produkte gekennzeichnet werden, bei denen die gentechnische Veränderung ihrer Bestandteile nachweisbar ist. Oft verändern die Tiefe und Verfahren der Produktion die Inhaltsstoffe der Pflanzen so sehr, dass keine gentechnischen Veränderungen nachweisbar sind. „Auch wenn hundert Prozent gentechnisch veränderte Sojabohnen zur Herstellung von Sojaöl eingesetzt wurden, führen schon einfache Raffinationsschritte dazu, dass die gentechnisch veränderten Bestandteile unter der Nachweisgrenze liegen“, sagt Alexander Beck, Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Lebensmittel ohne Gentechnik (ALOG). Umwelt- und Verbraucherverbände kritisieren schon seit in Kraft treten der Novel Food-Verordnung, dass Produkte wie beispielsweise Mais- oder Sojaöl durch das grobmaschige Netz der EU-Regelungen fallen. Auf Grund der mangelnden Kennzeichnungspflicht bleibt dem Verbraucher, der bewusst auf gentechnische Bestandteile in seinen Nahrungsmitteln verzichten will, bisher keine freie Wahl.

 

KASTEN 1 Widerstand in den USA
Die fehlende Kennzeichnungspflicht und mangelnde gesundheitliche Sicherheitstests für neuartige Lebensmittel führen mittlerweile auch in den als „gentechnikfreundlich“ geltenden USA zu Kontroversen. Eine Umfrage im Januar 2000 ergab, dass sich 81 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung eine Kennzeichnung für gentechnisch hergestellte Lebensmittel wünschen. 89 Prozent wollen eine Durchführung von Sicherheitsprüfungen, bevor gentechnisch veränderte Lebensmittel und -zutaten auf den Markt gelangen (1). Robin Cummins, Leiter der „Organic Consumer Association“, stellt fest: „Die öffentliche Meinung richtet sich allmählich gegen gentechnisch hergestellte Nahrungsmittel. Trotzdem sind wir in den USA noch weit entfernt von einer Widerstandsbewegung wie sie inzwischen in Deutschland existiert.“
Im Jahr 1998 erhoben das Zentrum für Lebensmittelsicherheit und andere öffentlichen Interessensgruppen eine Klage, gentechnisch veränderte Produkte vom Markt zu nehmen. Diese Klage wurde von der amerikanischen Lebensmittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) am 2. Oktober letzten Jahres abgewiesen. Die Begründung der FDA lautet, dass seit 1992 keine Regelungen zum Umgang mit gentechnisch veränderten Lebensmittel getroffen worden sind. Diese sogenannte Verordnung von 1992, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht anders als herkömmlich produzierte Nahrungsmittel behandelt werden, lässt bis heute den Gentech-Unternehmen freie Hand. Aufgrund der damaligen FDA-Politik erhielt im Jahr 1994 das erste gentechnisch veränderte Lebensmittel, die Anti-Matsch-Tomate, in den USA die Marktzulassung – ohne Kennzeichnungspflicht.
Philip Clapp vom „National Environment Trust“ ist trotz der abgewiesenen Klage zuversichtlich, dass es in den USA langfristig gelingen wird zumindest die Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln durchzusetzen,. „Ein generelles Verbot bleibt wohl Utopie: Dazu haben die Lebensmittelkonzerne zu viel politischen Einfluss, auch weil sie viel Geld an Parteien spenden.“ (2)

Heike Pfirrmann
(1) www.purefood.org, Newsletter: BioDemocracy News #30, Purefood
(2) Greenpeace-Magazin Jan./Febr. 2001: „Falsche Gene in der Tüte“

Die unbeliebte Novel Food-Verordnung

In Ländern der Europäischen Union regelt die im Mai 1997 in Kraft getretene Novel Food-Verordnung die Zulassung und Kennzeichnung „neuartiger Lebensmittel und Lebensmittelzutaten“. Sowohl Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten oder aus solchen bestehen als auch die Produkte, die aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden, unterliegen dieser Verordnung. Hefe, Joghurt mit lebenden Milchsäurebakterien, geröstete Heuschrecken oder neuartige Algenprodukte sind nur einige Beispiele „neuartiger Lebensmittel“. Zusatzstoffe wie Farb- und Konservierungsstoffe, Aromen oder Enzyme fielen zunächst nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung. Immer wieder bessert die Europäische Kommission die Löcher des Flickwerkes Novel Food-Verordnung aus.
Bis September 1998 bestand für bestimmte genmanipulierte Pflanzen – Mais von Novartis (Bt-176 Insektenresistenz) und Soja von Monsanto (Roundup Ready) – keine Zulassungspflicht. Beide Pflanzen wurden vor In-Kraft-Treten der Novel Food-Verordnung zugelassen und unterlagen somit nicht dieser Vorschrift. Erst auf Druck der Öffentlichkeit verabschiedete die EU-Kommission im Herbst 1998 die sogenannte Soja-Mais-Verordnung, die für die Novartis- und Monsanto-Pflanzen die genau festgelegte Kennzeichnung „hergestellt aus genetisch verändertem Mais/Soja“ vorschreibt. Alle Lebensmittel, in denen das gentechnisch manipulierte Erbmaterial dieser Pflanzen nachweisbar ist, müssen in der Zutatenliste auf der Verpackung mit diesem Vermerk versehen sein.
Ebenfalls auf Druck von Verbrauchern und Umweltverbänden schloss die EU-Kommission im April 2000 eine weitere Lücke und erließ eine Verordnung zur Kennzeichnung von Zusatzstoffen und Aromen. Sie klammert allerdings die Kennzeichnung von Enzymen immer noch aus. Obwohl es heutzutage üblich ist, gentechnisch veränderte Organismen zur Enzymproduktion einzusetzen, sind diese Stoffe in Deutschland nicht kennzeichnungspflichtig. In Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz ist die Kennzeichnung von gentechnisch hergestellten Enzymen im Gegensatz zu Deutschland festgelegt. Eine Regelung sei aber in der EU-Kommission derzeit in Diskussion, versichert Joachim Groß, Pressesprecher der EU-Kommissionsvertretung in Deutschland.

Irreführende Kennzeichnung

Wie muss eine genaue Etikettierung gentechnisch veränderter Lebensmittel aussehen? Betrachtet man die Einkaufsliste vom EinkaufsNetz Greenpeace ­ eine Art Negativliste der Produkte, die gentechnische Bestandteile beinhalten ­ fällt auf, dass die Etikettierung der 15 Produkte nicht nur sehr uneinheitlich, sondern auch irreführend ist. Die Beschreibung reicht von „aus genetisch verändertem Mais hergestellt“ auf „Brause Oblaten“ (Frigeo-Werk Beltle GmbH) über „von genetisch modifiziertem Material“ in „Japanischen Erdnüssen“ (Klijn GmbH) bis zum euphemistischen Wortlaut „hergestellt unter der Verwendung von moderner Biotechnologie“ auf der Packung des Fertiggerichts „Soja-Fix“ (Ottens Feinkost Vertriebsgesellschaft mbH) (6). Der Phantasie sind demnach keine Grenzen gesetzt. Eine genaue Vorschrift, wie eine Kennzeichnung aussehen muss, fehlt.
Trotz Beschwerden vieler Verbraucher und Verbände angesichts des offensichtlichen Kennzeichnungsdschungels sieht Marianna Schauzu, Leiterin der Koordinationsstelle für neuartige Lebensmittel und Gentechnik am Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), prinzipiell keine Lücken in der Novel Food-Verordnung. „Es werden fundierte Sicherheitsprüfungen und Kontrollen durchgeführt. Spuren von rekombinanter DNA sind bis zu 0,01 Prozent nachweisbar.“ Alle Produkte, in denen das gentechnisch veränderte Erbmaterial nicht mehr nachweisbar ist, müssen nicht gekennzeichnet werden.

KASTEN 2 Ein Fallbeispiel: Wie kommt die Gentechnik in die Mayonnaise?
Sojabohnen, die am Ende in der Mayonnaise landen sollen, können in vielen Produktionsschritten Gefahr laufen, verunreinigt zu werden. Schon beim Saatgut besteht die Möglichkeit, mit Artgenossen aus transgenem Anbau vermischt zu werden. Denn in den USA, wo auf der Hälfte der Felder gentechnisch veränderte Sojabohnen wachsen, trennt niemand die Spreu vom Weizen. Nach der Ernte erreicht uns in Deutschland eine Mixtur aus konventionellen und transgenen Sojabohnen. Selbst wenn man sicher ist, keine gentechnisch veränderten Sojabohnen in der Lieferung zu haben, ist die Gefahr einer Verunreinigung in der Ölmühle noch gegeben. Wurden dort nicht vielleicht gestern noch transgene Sojabohnen von Monsanto verarbeitet? Zu spät! In der Mühle kleben noch die Reste des Gen-Sojaöls. Das durch die Extraktion gewonnene Sojaöl ist der erste wichtige Bestandteil der Mayonnaise. Selbst wenn unser Sojaöl die Ölmühle ohne gentechnisch veränderten Sojabohnen-Anteil verlassen hat, lauert schon die nächste Gefahr im Emulgator Lecithin. Denn dieser Zusatzstoff stammt in der Regel zu einem gewissen Anteil aus gentechnisch veränderten Sojabohnen. Doch auch wenn unsere Sojabohnen und das Sojaöl und das Lecithin gentechnikfrei waren – die Gefahr einer ungewollten und unbemerkten „Verunreinigung“ ist noch nicht gebannt. Denn bei klassischer Mayonnaise stabilisiert Eigelb das Wasser-Öl-Gemisch. Und das Eigelb stammt womöglich von Hühnern, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln ernährt wurden. Nehmen wir einmal an, in unserem Fall stammen die Eier von „glücklichen“ Hühner eines Ökohofs. Dann besteht immer noch die Gefahr, dass gentechnisch hergestellte Enzyme eingesetzt werden. Denn ein System aus zwei Enzymen, Katalase und Glucoseoxydase, müssen die Mayonnaise konservieren. Beide Enzyme könnten aus dem Stoffwechsel gentechnisch veränderter Mikroorganismen stammen. Wenn schon die Produktion von Mayonnaise schwer zu überschauen ist, wie kompliziert ist dann erst die Produktionskette eines Fertiggerichts mit noch mehr Inhaltsstoffen?

Heike Pfirrmann
Quelle: www.transgen.de

Prozesskennzeichnung sorgt für Transparenz

Solange die Kennzeichnungspflicht auf dem Kriterium Nachweis im Endprodukt beruht, werden weiterhin viele scheinbar „gentechnikfreie“ Produkte in den Regalen der Supermärkte auf den Kauf des Verbrauchers warten. „Viele gentechnische Veränderungen, die im Laufe der Herstellung stattfanden, sind im Endprodukt nicht mehr nachweisbar“, gibt Greenpeace-Mitarbeiter Christoph Then zu Bedenken. Wie können gentechnische Prozesse für die Verbraucher sichtbar gemacht werden, wenn eine Untersuchung des Endprodukts keinen Aufschluss über gentechnische Veränderungen gibt? Christoph Then plädiert in diesem Fall für eine Prozesskennzeichnung. Die einzelnen Schritte bei der Herstellung eines Lebensmittels vom Rohstoff bis zum Endprodukt werden dann auf gentechnische Veränderungen durch GVO überprüft. Nach Aussage des Pressesprechers der EU-Kommission Joachim Groß ist ein erster Entwurf dieser Art der Kennzeichnung in der EU-Kommission in Arbeit. „Es könnte aber trotzdem sein, das es beim Nachweis im Endprodukt bleibt“, fügt Groß hinzu.
Auf die Frage, wieso man die Kennzeichnungspflicht verändern will, wenn die Novel Food-Verordnung doch scheinbar keine Lücken aufweist, erklärt Marianna Schauzu: „Um dem Bedürfnis der Verbraucher Rechnung zu tragen, die Lebensmittel ablehnen, bei deren Herstellung gentechnisch veränderte Organismen verwendet werden. Diese Etikettierung erfordert allerdings eine lückenlose Dokumentation, das heißt, sie ist sehr aufwändig und wird sich deshalb auch auf die Preise auswirken.“
Die EU befürchtet bei dieser Art Kennzeichnung Berge von Papier und viel Kontrollarbeit. Denn die Prozesskennzeichnung ist vor allem aufwändig bei stark verarbeiteten Produkten wie zum Beispiel Fertiggerichte, die eine lange Produktionskette durchlaufen und viele Zusatzstoffe beinhalten (siehe Fallbeispiel Mayonnaise).
Die Verbraucher müssen bei einer Prozesskennzeichnung mit eine Erhöhung der Preise rechnen, denn die Folgekosten dieses Nachweisaufwandes sollen auf den Verbraucher abgewälzt werden. Und dieser zahlt dann für das, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: zu wissen, was im Nahrungsmittel enthalten ist. Die einzige Alternative kann nur die sein, die Greenpeace und andere gentechnikkritischen Gruppen schon lange fordern: auf den Einsatz der Gentechnik in allen Prozessen der Lebensmittelherstellung zu verzichten. Nur auf diese Art und Weise lässt sich das Problem Gentechnik in der Nahrung an der Wurzel packen.

Sind gentechnikfreie Nahrungsmittel eine Utopie?

Lebensmittelhersteller, die garantieren können, bewusst keine Gentechnik bei der Herstellung der Nahrungsmittel eingesetzt zu haben, können schon seit Oktober 1998 in Deutschland ihre Produkte mit der Auslobung „ohne Gentechnik“ kennzeichnen. Mit dieser Auslobung hebt der Produzent, der auf den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen verzichtet, seine Nahrungsmittel hervor. Für den Verbraucher bedeutet die Positivkennzeichnung theoretisch eine Alternative und mehr Transparenz.
Doch nur einige wenige Nahrungsmittel – wie zum Beispiel einige Schokoriegel und der Reis der Firma gepa – sind mit dem Vermerk „ohne Gentechnik“ auf dem Markt. Robert Hermanowski, Vorstand der ALOG und Projektkoordinator der ArbeitsGemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL), sieht den Grund für die mangelnde Umsetzung in dem unverständlichen Inhalt der Verordnung zur Positivkennzeichnung. Es fehlt eine klare Definition des Begriffs „ohne Gentechnik“ (7). Auch EU-Kommissions-Pressesprecher Joachim Groß ist in diesem Punkt überfragt. Nach Aussage von Marianna Schauzu von der BgVV nutzen nur wenige Lebensmittelhersteller die Möglichkeit der Positivkennzeichnung, da „diese Etikettierung einen sehr hohen Nachweisaufwand für die Betriebe“ erfordern würde.
„Im Prinzip wäre die Positivkennzeichnung eine schöne Sache. Man müsste dafür ein Zertifizierungssystem aufbauen, um so das Produkt vom Ursprung bis zur Ladentheke verfolgen zu können“, erklärt Schauzu. Die Nachweispflicht, dass die Stoffe, die zur Herstellung der Ware verwendet wurden, nicht mit „Gentechnik“ in Berührung gekommen sind, liegt bei den Produzenten. Die Auflagen für die Erzeuger sind streng. „Zum Beispiel dürfte kein gentechnisch verändertes Soja verfüttert werden und auch Medikamente dürften für diese Art der Kennzeichnung nicht aus gentechnisch veränderten Organismen stammen,“ sagt Schauzu.
Gefahren einer Kontamination lauern überall. „Es ist es eine Illusion zu glauben, dass es Produkte gibt, die völlig frei von gentechnisch veränderten Fremdstoffen sind“, warnt Gerd Spelsberg von der Verbraucher Initiative. „Das gilt insbesondere für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Hier kann eine Vermischung bei der Saatgutproduktion, Ernteverarbeitung und Bestäubung nicht ausgeschlossen werden.“ Auf Grund der unbeabsichtigten Verunreinigungen können Lieferanten und Hersteller nicht uneingeschränkt garantieren, dass ihre Erzeugnisse absolut gentechnikfrei sind. Die Angst sich strafbar zu machen, könnte ein weiterer Grund dafür sein, dass nur wenige Lebensmittelhersteller die Möglichkeit nutzen, ihre Produkte mit dem Vermerk „ohne Gentechnik“ zu kennzeichnen. Für die Verbraucher schwindet mit dieser Angst sowie mit der Nachweispflicht für Hersteller und den damit verbundenen Kosten die Chance auf mehr Transparenz und gentechnikfreie Nahrung.

KASTEN 3 Genfood für Mensch und Tier
Folgende gentechnisch veränderte Lebensmittel wurden bisher in Deutschland in den Ladenregalen gefunden:„Amaretto-Riegel“: Der Diätriegel mit Schokolade und Amarettogeschmack enthält laut Zutatenliste Sojaeiweiß, das „aus genetisch veränderten Sojabohnen hergestellt“ wird. Der Hinweis steht in Klammern innerhalb der Zutatenliste.
Hersteller/Import/Vertrieb: GfGE Gesellschaft für Gewichstreduktionsschulung und Ernährungsberatung mbH, Carl-Benz-Str. 31, 57299 Burbach, Fax: 02736-50067
„Brause Oblaten“: Die mit Schleckbrausen-Pulver gefüllten Oblaten sind bei Kindern beliebt. In der Zutatenliste ist nachzulesen, dass sie Stärke „*Aus genetisch verändertem Mais hergestellt“ enthalten.
Hersteller/Import/Vertrieb: Frigeo-Werk Beltle GmbH, Alfred-Klingele-Str. 48, 73630 Remshalden, Fax: 07151-7093-70
„Butterfinger“: Der Schokoriegel enthält, ebenso wie die gleichnamigen Schokokugeln, Cornflakes aus „genetisch verändertem Mais“. Nachdem Nestlé die Produkte im Juli 1999 vom deutschen Markt genommen hatte, sind sie nun erneut in den Ladenregalen zu finden. Möglicherweise handelt es sich um Direktimporte aus den USA, die ohne das Wissen von Nestlé Deutschland getätigt wurden.
Hersteller/Import/Vertrieb: Nestlé USA, Glendale, CA, USA
„Formula 1“: Das diätische Instant-Getränkepulver in verschiedenen Geschmacksnoten ist laut Zutatenliste „Aus genetisch veränderten Sojabohnen und Mais hergestellt“.
Hersteller/Import/Vertrieb: Herbalife International GmbH, Rudolph-Diesel-Str. 24, 64331 Weiterstadt, Fax: 06150-139-221
„Friskies“: Friskies Grand Menue, das in 400g- und 2 kg-Paketen verkaufte Trockenfutter für Katzen sowie Friskies Matzinger Huckenfutter enthalten „pflanzliche Eiweißextrakte (hergestellt aus gentechnisch veränderter Soja)“
Hersteller/Import/Vertrieb: Nestlé AG, Friskies Deutschland GmbH, Albert-Latz-Str. 6, 53879 Euskirchen, Fax: 02251-811562
„Japanische Erdnüsse“: Die in der Knabber Bar erhältlichen Erdnüsse enthalten Stärke aus Mais, der „Genetisch Modifiziert“ ist.
Hersteller/Import/Vertrieb: Klijn GmbH, Stenerner Weg 8, 46397 Bocholt
„Lecithin Granulat“: Das Nahrungsergänzungsprodukt enthält Lecithin „von genverändertem Material“. Vom gleichen Hersteller sind weitere genveränderte Produkte auf unsere Liste zu finden.
Hersteller/Import/Vertrieb: NutriSearch Ltd., Postfach 12 74, 66267 Kleinblittersdorf, Fax: 0680491999
„Multi 9-K Protein“: Das neun Komponenten Proteinkonzentrat mit Schoko-, Vanille- oder Erdbeer-Geschmack enthält – laut Zutatenliste – Sojaprotein aus gentechnisch veränderten Sojabohnen hergestellt.
Hersteller/Import/Vertrieb: Sporternährung Heidrich Versand GmbH, Strötherweg 23, 57567 Daaden, Fax: 02743-2621
„Nutricomp Standard“: Die bilanzierte Diät und Trinknahrung in verschiedenen Gschmacksvarianten wird in Apotheken verkauft und basiert auf Sojaeiweiß*.
„*Aus genetisch veränderten Sojabohnen hergestellt.“
Hersteller/Import/Vertrieb: B. Braun Petzold GmbH, Carl-Braun-Str. 1, 34212 Melsungen, Fax: 05661-3670
„Nutrilite Eiweiss“: Die Nahrungsmittelergänzung enthält 60 % isoliertes Sojaprotein*, das laut Zutatenliste „*aus genetisch veränderten Sojabohnen hergestellt“ ist.
Hersteller/Import/Vertrieb: Amway GmbH, Benzstr. 11b-11c, 82178 Puchheim, Fax: 089-80094-666
„Papas Kabeljaurogen“: Das aus Griechenland importierte Kabeljaurogen-Mus beinhaltet „gentechnisch verändertes Sojamehl“. In Deutschland wird das Produkt in der Gastronomie eingesetzt. Der Hinweis auf Gentechnik befindet sich auf der Rückseite des Etiketts in griechischer Sprache.
Hersteller/Import/Vertrieb: Gebrüder Papazof (Importeur), Lagerhausstr. 5, 81731 München
„Slim Soup“: Die Schlankheits-Suppe beinhaltet laut Zutatenliste Sojaeiweiß „von genverändertem Material“.
Hersteller/Import/Vertrieb: NutriSearch Ltd., Postfach 12 74, 66267 Kleinblittersdorf, Fax: 0680491999
„Soja-Fix“: Das fleischfreie Fertig-Mix der Marke „Sobie“ enthält laut Zutatenliste texturiertes Soja Eiweiß-Konzentrat*.
„*Hergestellt unter Verwendung von moderner Biotechnologie“
Hersteller/Import/Vertrieb: Ottens Feinkost-Vertriebsgesellschaft mbH, Kirchhofsweg 7a, 32457 Porta Westfalica
„Soja-Gulasch“: Das Produkt enthält Sojaprotein mit dem Hinweis „von genverändertem Material“.
Hersteller/Import/Vertrieb: NutriSearch Ltd., Postfach 12 74, 66267 Kleinblittersdorf, Fax: 0680491999
„Zink“: Die Tabletten, die als Nahrungsergänzung und Sportlernahrung angepriesen werden, enthalten Maisstärke „aus genverändertem Material“.
Hersteller/Import/Vertrieb: NutriSearch Ltd., Postfach 12 74, 66267 Kleinblittersdorf, Fax: 0680491999

 Heike Pfirrmann
Quelle: www.greenpeace.de; EinkaufsNetz Greenpeace, Stand: 30. 11. 2000

 Gentechnik in Öko-Produkten –­ nein danke!

Auch Öko-Produzenten verzichten bewusst auf den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen und deren Derivaten bei der Herstellung ihrer Lebensmittel. Seit einigen Jahren verfolgt und propagiert der Öko-Landbau diesen prozessorientierten Ansatz bei der Nahrungsmittelproduktion. „Die Öko-Bewegung möchte den Einsatz von GVO und deren Derivaten im gesamten Bereich Ökoproduktion verbieten. Ganz unabhängig davon, ob Spuren von GVO im Endprodukt nachgewiesen werden können oder nicht,“ erklärt Alexander Beck von der Arbeitsgemeinschaft Lebensmittel ohne Gentechnik (ALOG). Entscheidend sei hierbei, dass die meisten Einflüsse und Anwendungen nicht nachweisbar sind. Beck: „Wir rechnen damit, dass es in den nächsten Jahren immer schwieriger wird, ‚Verunreinigungen‘ während Anbau und Produktion zu vermeiden.“ Die meisten Öko-Verbände verzichten bewusst auf eine Positiv-kennzeichnung. „Sie ist bei Öko-Produkten nicht erforderlich, da nach europäischen Öko-Richtlinien der Einsatz von Gentechnik ausgeschlossen wird,“ Hermanowski (AGÖL/ALOG).
Mit welchen Quellen einer Verunreinigung zu rechnen ist und welche Konsequenzen der ökologische Landbau daraus zieht, erörterten im Januar Experten des Öko-Landbaus auf der Tagung „Ökologischer Landbau braucht keine Gentechnik“ im Rahmen der diesjährigen Grünen Woche in Berlin. Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, betont, dass es vor allem durch einen zukünftigen kommerziellen Anbau transgener Pflanzen schwieriger werde, eine hundertprozentige Reinheit der Produkte sicherzustellen. „Es ist wichtig, die Nische des ökologischen Landbaus zu vergrößern und diesen gegen andere Wirtschaftsweisen zu schützen. Dazu muss eine rechtliche Grundlage für den ökologischen Landbau hinsichtlich der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen und der Weiterverarbeitung der Produkte geschaffen werden.“ Das Umweltbundesamt will nach Aussage von Troge die Pläne des Umweltministeriums, bis zum Jahr 2010 den ökologischen Landbau auf 20 Prozent der landwirtschaftlichen Anbauflächen auszuweiten, unterstützen.

Pläne für die Zukunft

Seit Mitte Januar liegt der Verbraucherschutz in den Händen der grünen Politikerin Renate Künast. Sie leitet künftig das Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Die Bildung dieses neuen Ministeriums ist eine der Folgen des BSE-Skandals. Es besteht die Hoffnung, dass Renate Künast das Ruder in der Agrarpolitik rumreisst. Vielleicht schweben ihr ja neben Ideen wie der Subventionierung des ökologischen Landbaus auch Pläne vor, Produzenten, die gentechnologische Verfahren in der Herstellung ihrer Nahrungsmittel vermeiden, zu unterstützen, und in das Kennzeichnungschaos eine klare Linie zu bringen.

Erschienen in: Gen-ethischer Informationsdienst, GID, Nr. 144, Februar/März 2001. Alle Rechte liegen bei dem/der Autor/in.

 Fußnoten

(1) Süddeutsche Zeitung: „BSE lässt grüßen“, 21.11.00
(2) M. Lappé & B. Bailey: „Machtkampf Biotechnologie: ­ Wem gehören unsere Lebensmittel?“, S. 151
(3) Die Zeit: „Die Genküche bleibt kalt“, Ausgabe 23/1999
(4) Neue Zürcher Zeitung: „Gentech-Pflanze ohne Antibiotikaresistenz-Gen“, 27.09.00
(5) S. Riewenherm: „Gentechnologie“, S. 63
(6) Greenpeace EinkaufsNetz, Stand: 30.11.2000
(7) K.-D. Jany: „Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln (Teil 2)“, in Ernährungsumschau Forschung & Praxis, 12/Dez. 2000